Seit erscheinen der VStabi EVO haben uns Kunden von Zucken am Heck und anderen unerwünschten Effekten auf manchen Helis berichtet. Der Effekt scheint bei höheren Drehzahlen schlimmer zu werden, auch bei höherer Belastung, bei aggressiveren Manövern. In diesem Artikel fasse ich zusammen, was wir heraus gefunden haben, und wie wir eine Lösung gefunden haben:
Da wir auf verschiedenen Helis in Test keine negativen Effekte beobachtet haben, habe ich begonnen, ein spezielles Gerät zu entwickeln, das gewaltige Vibrationen erzeugen kann. Damit kann ich bestimmen, ab wann solche Effekte auftreten, und die Ergebnisse mit VStabi NEO zu vergleichen. Dieser spezielle Shaker kann Vibrationen bis 100 G und bis 2 KHz auf einer einzelnen Achse erzeugen. Der Betrieb ist nicht ganz ungefährlich: ohne Gehörschutz würde man sofort einen Hörschaden erleiden.
Analyse
Der Vergleich von EVO und NEO zeigt unerwartete Ergebnisse: beide haben Grenzen, bis zu denen sie normal arbeiten. Bei der NEO sind es bis zu 40 G @ 1 kHz, bei der EVO sind es sogar 60 G @ 1 kHz. Ich kann beide gut vergleichen, da beide den selben High-Range-Sensor eingebaut haben, der das ganze vergleichbar macht. Zum Vergleich habe ich ein Heckservo mit der VStabi verbunden, eingestellt auf 333 Hz, und mit der FFT aus der Vibrationsanalyse Pro verglichen. Ich habe 1 kHz gewählt, weil in diesem Bereich die Sensoren allgemein am empfindlichsten reagieren. Unter 500 Hz konnte ich keine negativen Effekte hervorrufen, bis zur maximalen Leistung des Shakers von 100 G.
VStabi NEO fängt ab 40 G an, zunehmend Servozittern zu zeigen. Das wird stärker bis 80 G erreicht werden. Ab 80 G läuft das Servo auf Vollausschlag, und reagiert auf keine Bewegungen der VStabi mehr (inklusive Out of Range-Meldungen im Event Log).
VStabi EVO zeigt ab 60 G zunehmend zufällige Servobewegungen, bis etwa 85 G. Darüber geht das Servo ebenso auf Vollausschlag. Der Unterschied: diese zufälligen Bewegungen gleichen sich nicht aus zu einer mittleren Servoposition, wie bei VStabi NEO.
Da die Effekte mit dem einhergehen, was Kunden mit VStabi EVO berichteten, nehme ich an, dass das der kritische Bereich ist: Vibrationen bei höhen Frequenzen (1 kHz) und mit sehr hoher Intensität (> 40 G).
Ein interessanter Zusammenhang: das bedeutet, wenn man eine NEO gegen eine EVO austauscht, und wenn man dann Probleme beobachtet, war die Heckleistung der VStabi NEO bereits mindestens schlechter als sie hätte sein können!
Technische Daten von Sensoren
Leider gibt es keine absoluten Spezifikationen (Specs) über die erlaubten Vibrationsbelastungen der Sensoren. Das gilt für fast alle auf dem Markt verfügbaren Produkte gleichermaßen. Ich habe solche Spec nur für Sensoren gefunden, die militärischen Standards entsprechen, die uns aber nicht zur Verfügung stehen. Es gibt einige technischen Daten, die die gegenseitige Beinflussung der Empfindlichkeit von Kreiselsensoren und Beschleunigungssensoren beschreiben. Diese reichen allerdings nicht in die Bereiche, die wie auf einigen Helis beobachtet haben. Nicht einmal annähernd. Daher müssen wir unsere eigenen Messungen anstellen, und wir müssen darauf hoffen, dass der Hersteller eine gleichbleibend hohe Qualität für unsere Anforderungen liefert.
Der Hersteller spezifiziert übrigens eine maximale G-Belastung von 10.000 G, bevor die Sensoren im ausgeschalteten Zustand zerstört werden.
Frequenzen
Bei einem Durchlauf auf dem Shaker von 10 Hz bis 2 kHz sieht man einige Spitzen, die den größten negativen Einfluss zu haben scheinen. Abhängig vom Sensor sind das von 700 Hz bis 1.1 kHz auf VStabi EVO, und 500 Hz bis 1 kHz bei VStabi NEO. Der gefährliche Bereich ist extrem schmal. Höhere Frequenzen sind normalerweise unproblematisch, und niedrigere Frequenzen führen niemals zu irgendwelchen Effekten. Beeindruckend ist, wie gut die Sensoren mit extremen Belastungen bis zu ein paar hunder Hz zurecht kommen. Diese Frequenzen und Lasten kann man nur testen, wenn alle Kabel fest fixiert sind, andernfalls geht die Steckverbindung innerhalb von Sekunden auseinander. Wenn man das Geräte während der Tests berührt, tut es weh!
Frequenzen bis in diesen Bereich müssen wir messen, und die muss die Software auch erkennen. Die kritischen Frequenzen sind deutlich höher, und sie sind nicht mehr als Messwerte an den Sensoren ablesbar. Bei 1 kHz bewegt sich der Shaker nicht wahrnehmbar, fühlt sich ruhig an, aber er produziert extremen Lärm. Man sieht nichts, aber man hört es noch am anderen Ende der Straße.
Lösungsansätze
Die erste und einfachste Lösung, die sich einem Aufdrängt: lasst diese Vibrationen erst gar nicht entstehen, und sich ausbreiten. So lange hochfrequente Vibrationen unter 40 G bleiben, ist alles gut, es treten keine negativen Effekte auf. Allerdings kann der Kunde da nicht viel tun, das muss schon bei der Konstruktion der Helis bedacht werden. Ich hoffe, dass die Entwickler zukünftiger Helis das tun, so dass wir diese Probleme in Zukunft nicht mehr haben werden.
Der nächste Gedanke ist, verwenden wir doch ein dickeres Tape, um die Vibrationen zu absorbieren. Das funktioniert bis zu einem gewissen Grad, aber es ist richtig schwierig, das Tape zu finden, dass die Vibrationen wirklich absorbiert, und das sie nicht nur verschiebt, und damit möglicherweise wieder andere Probleme erzeugt. Aber hier zu probieren kann helfen. In der Praxis hat diese Lösung allerdings nur begrenzte Aussicht auf Erfolg. Es dämpft, aber man bekommt immer noch viel zu viel unerwünschte Signale. Wenn man es berechnen würde, müsste man sehr dickes und gleichzeitig sehr weiches Tape verwenden. Das geht jedoch nicht, wenn man den Heli im harten 3D bewegen möchte.
Eine bestechende Idee wäre es, die Vibrationen per Software herauszufiltern, was einfach nur ein Softwareupdate bedeuten würde. Leider ist das aber nicht möglich. Die Vibrationen werden von der Software überhaupt nicht gesehen, weil sie nicht als direktes Signal vom Sensor kommen. Das gemessene Signal ist ein Nebeneffekt der MEMS Struktur in einer Richtung, für die sie nicht konstruiert ist. Das Signal ist nichtlinear und nicht vorhersagbar. Daher kann man es nicht mit Software kompensieren oder filtern. Die Lösung kann also nur vor dem Sensor auf mechanischer Seite liegen.
Nach etlichen Tests und Versuchen zeigte sich, das man durch Hinzufügen von kleinen Massen am Sensor die Resonanzfrequenzen des gesamten Systems verschieben kann, und damit die Nebeneffekte bei hohen Frequenzen vermieden werden.
Die erste Idee war es ein verändertes Gehäuse zu produzieren, das die Platine und den Sensor besser festhält, womit man eigentlich einen ähnlichen Effekt erwarten kann. Das Gehäuse wurde produziert, zeigte aber leider keine nennenswerte Verbesserung. Auch weitere Experimente mit 3D gedruckten Gehäusen und Alugehäusen brachten kein perfektes Ergebnis. Das wird trotzdem in Zukunft noch weiter verfolgt.
Eigentlich mehr durch Zufall konnte ich feststellen, das durch Einkleben des Sensors im Gehäuse eine starke Verbesserung erreicht werden konnte. Die Untersuchung zeigte, das der kritische Bereich des Sensors in der Frequenz nach unten wandert, in einen Bereich wo der Sensor nahezu immun ist auf Vibrationen. Tests auf praktischen Helis zeigten durchschlagenden Erfolg der Theorie. Somit ist das jetzt die optimale Lösung um der EVO eine Vibrationstoleranz zu ermöglichen, die über der der NEO liegt.
Was kann man daraus lernen
Effekte von Frequenzen oberhalb von 1kHz sind sehr schwer vorherzusagen. Sie verhalten sich nicht so wie man auf den ersten Blick vermuten würde, was einen zu falschen Schlüssen verleiten kann. Ich habe dadurch sehr viel über die Ausbreitung von hochfrequenten Vibrationen gelernt. Wir haben nicht mit so hohen G Belastungen auf einigen Helis gerechnet. Es ist mir noch nicht 100% klar wo die genaue Ursache liegt, offenbar kommt es hauptsächlich durch aufeinanderschlagende Teile zustande, die dann über vielfache (Harmonische) Schwingungen die störenden Vibrationen erzeugen, und über verschiedene Materialien weiterleiten und verstärken. Das wäre noch genauer zu untersuchen.
Fazit
Die Methode sieht primitiv aus, aber es ist tatsächlich eine sehr gute Lösung um die EVO auf stark vibrierenden Helis ohne Einschränkungen einsetzten zu können.
Als Entwickler wünsche ich mir, das dieses Thema in zukünftigen Heli Konstruktionen besser berücksichtigt wird, denn wenn dass besser wird, kann man mit der IMU im Heli noch sehr viel interessantere Sachen machen und erheblich mehr Performance herausholen.